Glossar
Adiaphoristischer Streit: Dieser Theologen-Streit war nach dem Leipziger
Interim (1548), einem vom Kaiser angeordneten Kompromiss zwischen katholischen
und protestantischen Anschauungen, ausgebrochen. Das Kompromisspapier war von
Melanchthon maßgeblich mit verfasst worden. Ähnlich wie beim Augsburger Interim
wenige Monate zuvor sträubten sich Katholiken ebenso wie Protestanten gegen
diesen Versuch einer Versöhnung. Der ehemalige Schüler Melanchthons, der
Kroate Matija Vlacic (Matthias Flacius Illyricus) vertrat die Meinung, dass man
in Sachen des Evangeliums keine Kompromisse machen könne. „In Sachen der
Konfession gibt es kein Adiaphoron (keine Belanglosigkeit)“, war
seine Meinung. Melanchthon nannte aber den Streit um 7 (katholisch) oder 3
Sakramente (protestantisch) im Sinne des Kompromisszieles nebensächlich (adiaphoristisch).
Die kompromisslosen Luthertreuen (Flacianer) und die Kompromissbereiten um
Philipp Melanchthon (Philippisten) kamen zu keiner Einigung. Erst beim
Augsburger Religionsfrieden 1555 waren beide (fürstliche) Seiten zufrieden, denn
von da an konnten sich die Landesherren die Konfession aussuchen, die in ihrem
Land herrschen sollte (nur lutherisch oder katholisch, nicht calvinistisch).
Apsis: Aus der spätantiken Architektur übernommener halbrunder oder polygonaler Abschluss eines Gebäudes, besonders bei Choranlagen von Kirchen.
Backsteingotik: Backsteinbauten bestehen aus unverputzten, ausgefugten,
gebrannten Ziegelsteinen, oft auch durch glasierte, verschiedenfarbige Ziegel
oder Klinker belebt. Zierglieder sind aus so genannten Formsteinen
zusammengefügt. Schon im 4. Jahrtausend v. Chr. wurden Backsteine in
Mesopotamien verwendet. Im deutschen Bereich wurden sie erst in der Zeit der
Gotik im norddeutschen Raum zur architektonischen Mode. Viele Städte
Norddeutschlands sind von der so genannten norddeutschen Backsteingotik geprägt
(u. a. Lübeck, Wismar, Neubrandenburg). Die Wrangel-Kapelle ist das südlichste
Zeugnis der norddeutschen Backsteingotik.
Barock: Stilepoche der europäischen Kunst (17.Jahrhundert bis Mitte des
18.Jahrhunderts)
abgeleitet vom portugiesischen "barroco" (sonderbar geformte Perle) und vom
französischen "baroque" (sonderbar). Das Barock wurde von den Zeitgenossen des
17.Jahrhunderts tatsächlich auch gegenüber der vorangegangenen Renaissance als
sehr sonderbar empfunden. Der Stil ist eine Übersteigerung, ja, Übertreibung der
Elemente der italienischen Hochrenaissance, kam im deutschen Bereich aber erst
nach dem Dreißigjährigen Krieg zur Blüte. Die Endphase des Barock wird Rokoko
genannt. Es ist die Kunst des Absolutismus und des aufkommenden
Manufakturbürgertums. Die Barockkunst ist prunkvoll und grandios, lebensfroh,
aber auch melancholisch; heiter und verspielt; voller Schnörkel und
Verzierungen. In der Architektur des Barock gibt es Rundungen, Kuppelbauten,
glockenförmige Turm-Dachhauben (wie das kleine Türmchen zwischen den beiden
Türmen der Stephani-Kirche), dazu viele Plastiken und Bilder.
Eklektizismus (in der Architektur): Unschöpferische Vereinigung
verschiedener Stilelemente aus der Vergangenheit mit neuen Formen zu einem mehr
oder weniger unschönen Gemisch
Feudale Abhängigkeit: Zwangsmäßige juristische und ideologische Bindung der Bauern an den Grund und Boden und die Befehlsgewalt der Herren durch Hörigkeit und Leibeigenschaft (bzw. auch durch verschiedene Zwischenformen). Leibeigene (Knechte und Mägde) waren rechtlich völlig unselbständig (persönlich unfrei) gegenüber ihren Herren (siehe auch "jus primae noctis", Station 21). Hörige waren selbstwirtschaftend, aber zu Abgaben und Frondiensten (siehe unten: feudale Lasten) verpflichtet (Halbfreiheit, sachliche Abhängigkeit).
Feudale Lasten (Feudalrente): Bezeichnung für die Frondienste und Abgaben
der hörigen und leibeigenen Bauern (siehe "Feudale Abhängigkeit"). Sie beruhten auf persönlicher, oft
traditioneller Abhängigkeit und Gewalt. Der Leibeigene hatte die Leibrente zu
entrichten, Leibeigene und Hörige dem Grundherren die Grundrente, dem Vogt die
Gerichtslasten, der Kirche den Zehnt und dem Landesherren die staatlichen
Steuern. Leibherren, Grundherren, Gerichtsherren, Zehntherren und Landesherren
begannen im 14. Jahrhundert ihre Forderungen zu erhöhen und mit oft drastischen
Mitteln einzutreiben. Daneben mussten die Bauern außerdem noch die Arbeitsrente
in Form von Frondiensten, die leibeigenen mehr als die hörigen, leisten.
Flacianischer Streit: benannt nach dem Anführer einer der beiden
Streitparteien, dem Melanchthon-Schüler Matthias Flacius Illyricus
(Matija Vlacic), s. Adiaphoristischer Streit.
Gotik: umfassendste und bedeutendste Stilepoche des Mittelalters (etwa
Mitte des 13. bis Anfang des 16. Jahrhunderts) zwischen Romanik und Renaissance.
Architektur: aufstrebend, schlank, licht, mit Arkaden und Spitzbogen, "Maßwerk"
(konstruiert mit Zirkel und Lineal, dem heute beliebten Mandala ähnlich) als
Schmuckform. Erstes gotisches Bauwerk im deutschen Raum war der Magdeburger Dom.
Bildende Kunst: mehr der Natürlichkeit verpflichtet als die Romanik,
Körperlichkeit, ausdruckstarke, fast porträthafte Gesichter, Streben nach
idealer Schönheit.
Hallenkirche: in der Spätgotik seit der Mitte des 15.Jahrhunderts häufig verwendete Form, bei der im Unterschied zur älteren Basilika alle Kirchenschiffe zumindest annähernd die gleiche Höhe haben, so dass meist ein gemeinsames Dach den Bau überdeckt. Im Unterschied zur klassischen Hallenkirche existieren die beiden Türme im alten gotischen Stil bei der Calber Kirche.
Historismus
oder Historizismus (in der Kunst): Rückgriff auf Kunststile
der Vergangenheit, meist im Sinne rein formalistischer Reproduktion, im 19.
Jahrhundert sehr verbreitet durch das erwachende und später gesteigerte
Nationalbewusstsein.
Hufe: Im Mittelalter Bauernland, dessen Größe zwischen 7 und 20 Hektar variierte (flämische Hufe 16,8ha). Eine Königshufe im Rodungsgebiet war doppelt so groß. Im späten Mittelalter war die Hufe durch Teilungsvorgänge immer kleiner geworden. Die Hufen dienten als Bemessungsgrundlage der bäuerlichen Abgaben und Frondienste (s. Feudale Lasten). Der Begriff ist wahrscheinlich von (Bauern)-Hof abgeleitet.
Hugenotten: Bezeichnung für die französischen Calvinisten (Protestanten,
Anhänger des Reformators Calvin), die seit der Mitte des 16.Jahrhunderts in
Frankreich in Wellen auftretenden Repressalien und blutigen Pogromen
("Bartholomäusnacht") ausgesetzt waren. Besonders die Verfolgungen unter Ludwig
XIV. lösten eine Fluchtwelle von einer viertel Million Hugenotten in die
protestantischen Länder Niederlande, England, Dänemark, Schweiz, Nordamerika,
Rheinpfalz, Braunschweig, Württemberg, Hessen und besonders Brandenburg-Preußen
aus. In den deutschen Ländern waren sie wegen ihres manufakturtechnischen
Know-hows (neue Produktionsmethoden und Werkzeuge) begehrt. An den
Fortschritten, welche die Manufakturentwicklung, aber auch die Kultur in
Deutschland seit dem Ausgang des 17.Jahrhunderts machte, waren die Hugenotten
entscheidend beteiligt. U. a. in Magdeburg und Calbe trugen die französischen
Aussiedlerfamilien, wie zum Beispiel die Tourniers in Calbe, wesentlich zur
Steigerung der Tuchproduktion bei. Oftmals erinnern Familiennamen noch an diese
Vorfahren.
Industrielle Revolution: Von England ausgehende und mit der Erfindung der
Dampfmaschine verbundene Ablösung der handwerklichen und manufakturellen
Warenproduktion durch die industrielle Produktion in Fabriken. Charakteristisch
für die gesamte industrielle Revolution war die Dominanz der Werkzeugmaschine.
In der ersten Phase (Beginn bis Mitte des 19.Jahrhunderts) herrschte die
Leichtindustrie vor, das Verkehrswesen wurde revolutioniert (Eisenbahnen,
Dampfschiffe u. a.). In der zweiten Phase (Mitte bis Ende des 19.Jahrhunderts)
dominierte die Schwerindustrie, neue Antriebskräfte (Elektrizität),
Verkehrsmittel (Autos) und Kommunikationsmittel (Telefon u. a.) wurden
entwickelt, Erfindungen und Entdeckungen in Wissenschaft und Technik boomten.
Karolinger: fränkisches Herrschergeschlecht, nach seinem bedeutendsten Vertreter, Karl dem Großen, benannt. Regierungszeit etwa von der Mitte des 8.Jahrhunderts bis zum Ende des 9.Jahrhunderts. Unter Karl dem Großen lebten alte Kulturerrungenschaften wieder auf ("Karolingische Renaissance").
Katechet: abgeleitet vom Griechischen "belehren, unterweisen". In der frühen Neuzeit ein Helfer der Amtskirche, der die Kinder in den Zehn Geboten, dem Vaterunser, dem Glaubensbekenntnis sowie in den Erklärungen zu den Sakramenten unterrichtete, was oft mit einem formalen Auswendiglernen einherging. Das (auswendig) Gelernte musste während einer Prüfung vor der Konfirmation "aufgesagt" werden. Heute hat ein Katechet bzw. eine Katechetin andere, oft jugendseelsorgerische oder soziale Aufgaben. Sie sind Religionslehrer oder Mitarbeiter im kirchlichen Unterricht ohne volle theologische Ausbildung.
Kleine Eiszeit: Erhebliches Absinken der Durchschnittstemperaturen in Europa zwischen dem 14. und 18. Jahrhundert, möglicherweise auf veränderte Sonnenaktivitäten zurückzuführen.
Kongregation:
Kirchliche Vereinigung, ähnlich einem Orden, jedoch mit weniger strengen Regeln
Königshof: Königlicher ("villa regia") bzw. (dann später) kaiserlicher Wirtschafts-, Verwaltungs- und Wohnhof seit etwa dem 7. Jahrhundert. Oft waren die Königshöfe auch militärische Stützpunkte zur Bergung des Heeres (Herberge). Den Königshöfen stand ein maior domus (Meier) oder villicus vor, denn die Könige oder Kaiser waren nur selten in den Königshöfen anwesend. Der Meier oder Vogt trieb die bäuerlichen Abgaben ein, leitete die Fron(=Herrn)-Arbeit der Hörigen und Leibeigenen und war im Namen des Herrschers Gerichtsherr. Die militärisch gut gesicherten Königshöfe lagen auf dem Grundbesitz der Herrscher, dem Königs- bzw. Hausgut.
Mittelalter: von den Humanisten im 16./17.Jahrhundert verwendete
Bezeichnung für den Zeitabschnitt zwischen der griechisch-römischen Antike und
ihrer Wiedergeburt (Renaissance), also die Zeit vom Ende des 5. bis zum Beginn
des 16.Jahrhunderts. Das Mittelalter war geprägt von der Herrschaft der
der katholischen Kirche und von feudalen Wirtschafts- und Sozialstrukturen.
Mittelalterliches Optimum: Erhebliches Ansteigen der Durchschnittstemperaturen in Europa zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert, möglicherweise auf veränderte Sonnenaktivitäten zurückzuführen.
Neoromanik, Neogotik, Neorenaissance, Neobarock, Neoklassik (auch: Neuromanik usw.): Im 19. Jahrhundert, beruhend auf dem erwachenden und später gesteigerten Nationalbewusstsein, Besinnung auf vergangene Stilepochen, meist in Form von Eklektizismus (s. dort) und/oder Historizismus (s. dort)
Neuzeit (frühe): ab dem Ende des 15./Anfang des 16.Jahrhunderts beginnende, nach dem Mittelalter folgende historische Periode (vgl. Mittelalter-Periodisierung durch die Humanisten), geprägt von Humanismus, Renaissance und Aufklärung, bedeutenden geographischen Entdeckungen und technischen Erfindungen sowie von frühkapitalistischen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen.
Ottonik: Stilepoche zwischen karolingischer Kunst ("karolingischer Renaissance") und Romanik. Kunst zur Zeit des sächsicshen Herrschergeschlechtes der Ottonen (919[Heinrich I.] bis 1024[Heinrich II.]), benannt nach dem Hauptvertreter Kaiser Otto I.
In der Ottonik wurden spätantike, byzantinische und karolingische Traditionen verarbeitet, die Grundzüge der nachfolgenden Romanik bildeten sich heraus. Ein gutes Beispiel für die ottonische Baukunst ist die Stiftskirche St. Cyriacus in Gernrode.
Parochialschule: direkt zum Kirchspiel, zur Pfarrei gehörende Schule
Pfalz: besondere, von den Herrschern bevorzugte und deshalb auch prachtvoll ausgebaute ehemalige Königshöfe (s. dort) seit dem 7. bis zum Ende des 16.Jahrhunderts, Vorgänger der Residenzen. Der Name wurde von den Franken vom lateinischen "palatium" entlehnt. Die Herrscher reisten in ihrem Herrschaftsgebiet von Pfalz zu Pfalz.
Pietismus: eine in der
zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstandene religiöse Bewegung des deutschen
Protestantismus, in deren Mittelpunkt Verinnerlichung, persönliche
Bekehrung und die Umsetzung des Glaubens im täglichen, tätigen Leben
standen. Die Pietisten blieben Mitglieder der evangelischen Kirche,
versuchten jedoch diese durch ihre besondere Form der Frömmigkeit (Pietät)
zu reformieren und dem starren Dogmatismus der orthodoxen Lutheraner entgegen zu
wirken. Der Pietismus entstand zwar auch als Gegenkonzept zur
philosophischen, philologischen und naturwissenschaftlichen Aufklärung,
befand sich aber letztlich mit dieser auch in einer fruchtbaren
Wechselbeziehung. Die Auswirkungen des Pietismus, der vom englischen
Puritanismus beeinflusst wurde, reichten u. a. in der Literatur von der
Aufklärung über den Sturm und Drang bis in die Klassik und Romantik, von Lessing
und Kant über Schiller bis Hölderlin u. a. Der Pietismus hat das
protestantisch-kirchliche Leben (Gottesdienst, Bibelstunden,
Katechismusunterricht, neue Lieder, Erbauungsliteratur, Konfirmation,
Armenfürsorge, Innere und Äußere Mission u. a.) entscheidend beflügelt. In der
Zeit des deutschen Vormärz und der Revolution 1848 nahm der vom preußischen
König Friedrich Wilhelm IV. vertretene politisch motivierte Pietismus
reaktionär-konservative Züge an. Bedeutende Vertreter des Pietismus:
Philipp Jacob Spener; August Hermann Francke,
Christian Scriver, in Calbe und Brumby die Brüder Hävecker, Nikolaus Ludwig
Graf von Zinzendorf u. a. Auch die Calber neopietistische Schriftstellerin
Marie Nathusius gehörte im 19.
Jahrhundert dazu.
Romanik: 11.Jahrhundert bis Anfang des 13.Jahrhunderts, erste gesamteuropäische Kunst- und Stilepoche zwischen der
ottonischen Kunst und der Gotik ;
angelehnt an antike Vorbilder. Architektur: wuchtig, breit, mit Rundbögen und
Würfelkapitellen. Bildende Kunst: kultischer, mystisch-religiöser Inhalt,
stilisiert, flächig und blockhaft. Zum Kennenlernen der romanischen Architektur
gibt es die "Straße der Romanik".
hie:
Flur zur Nutzung durch die Siedlungs-Gemeinschaft (Allmende) und meist auch
Versammlungs- und Beratungsplatz mit ritueller Bedeutung (Thingplatz) aus
vorkarolingischer und altgermanischer Zeit. Oft standen hier alte "heilige"
Bäume. Das Wort "Thie" geht wohl auf das althochdeutsche "thiot (diot)" zurück,
was so viel wie "Volk, Leute" bedeutet. (Übrigens geht auch das Wort "deutsch" (thiotisc)
auf den gleichen Wortstamm zurück. Die Ostfranken bezeichneten ihre Sprache als
"volkstümlich", um sich von der gallo-romanischen Sprache der Westfranken
abzugrenzen.) Einer der bekanntesten "Thies" ist der von Blankenburg.
Wüstung (wüste Dorfstelle): aufgegebene Dörfer und Fluren. Ursache: Veränderungen natürlicher Bedingungen, hauptsächlich aber der gesellschaftlichen Verhältnisse. 2 Wüstungsperioden: 12./13.Jahrhundert und 14./15.Jahrhundert; in der zweiten Ära entstand die Masse der Wüstungen als Folge des Preisverfalls für Getreide (Agrarkrise), der natürlichen Klimaverschlechterung (vgl. Station 19), der vermehrt auftretenden Pestseuchen sowie des höheren Lebensstandards in den Städten, aber auch des Verfalls der Zentralgewalt und der damit verbundenen gehäuften Fehdetätigkeit des Adels.