6. Das Gelände des heutigen Kirchplatzes war ursprünglich der Kirchhof (Friedhof) der St.-Stephani-Kirche und damit des Stadtkernes. Noch vor vierzig Jahren standen die letzten Grabsteine angesehener ehemaliger Bürger der Stadt an der West- und Südseite der Kirche.  Im Mittelalter befanden sich die Friedhöfe immer direkt bei der Kirche, weil man auch für die Toten die sichtbare  Nähe zu Gott suchte. Geistliche und Patrizier jedoch wurden im Inneren der Kirche begraben, um Gott noch näher zu sein. 1551 (s. unten), als der Friedhof nicht mehr ausreichte und man einen neuen in der Bernburger Vorstadt angelegt hatte, wurde der Kirchhof bei der Stephanskirche geschlossen und nur noch selten genutzt. Es entstand ein Platz, der in früheren Zeiten parkähnlich genutzt wurde.

Der Kirchplatz um 1850

Später wurde ein Teil von ihm sogar der Schulhof (vgl. Station 7). Den südlichen Rand dieses Platzes bildeten die Seitengebäude der Stadtapotheke (vgl. Station 4), das Pastorhaus und die Wohnung des Schulkastellans der im 19. Jahrhundert erbauten Volksschule. In diesem Haus des Schuldieners war auch die Volksküche untergebracht, wo im Winter für Arbeitslose und Arme Mahlzeiten zubereitet wurden (vgl. Dietrich, Unsere Heimat, S. 6). Im 17. und 18. Jahrhundert gab es außer der Pastorenwohnung noch ein Diakonatshaus und ein Inspektorengebäude, wie Hävecker in seiner Chronik berichtete. "Das Pfarrhaus stehet ganz bequem gegen der Kirche über und ist zwar dasselbige groß genug, mit Stuben und Kammern, Scheun und Ställen, Hof und Garten, aber nicht bequem genug, sondern nach der alten Art mit niedrigen Gemächern gebauet. Nicht weit von demselben stehet noch ein Freihaus, welches der Kirchen zuständig ist, weil aber dieselbe wegen Mangel der Mittel nicht bauen können, und dasselbe ganz baufällig worden, ist solches inklusive der Freiheit an den Inspektoren und dessen Nachkommen erblich verkauft worden; in der Hoffnung, daß E. E. Rat dasselbe wieder an sich nehmen, und ein Diakonat- oder Witwenhaus aus demselben machen werde; zumalen sich sonst keine Stätte zum Diakonat-Hause finden wollen, noch sonst einige Mittel, davon es erbauet werden können, vorhanden sind." (vgl. Hävecker, S. 80, angepasste Rechtschreibung). Das Wittben- oder Witwenhaus war für Ehefrauen verstorbener Pfarrer und Diakone vorgesehen. Zwischenzeitlich war es in der Mittelstraße (Tuchmacherstraße) eingerichtet worden, es war aber so klein, dass zwei Witwen darin nicht wohnen konnten (vgl. Hävecker, ebenda). Nach einem alten Aktenvermerk wurde 1471 das Pfarrhaus noch mit einem Strohdach versehen (vgl. Dietrich, Ruhestätten, S. 13), gehörte also zu den nicht gerade repräsentativen Häusern. Das ehemalige Inspektor-Haus wurde vom jeweiligen Oberpfarrer, später Superintendent genannt, bis 1804 bewohnt. 1819 wurde es verkauft. Die Superintendenten, also auch der Vater von Marie Scheele (vgl. Station 9), wohnten bis 1885 in der Schlossstraße 114 und danach in der Breite (vgl. Station 18) (vgl. Dietrich, ebenda).

Der Kirchplatz 2001


Eine zeitlang diente der Kirchplatz bei Jahrmärkten als Topfmarkt. 1824 - 45 wurde der alte Friedhof großzügig bepflanzt und begrünt: Bäume wurden gesetzt und Rasen angelegt. Um sie zu schützen, wurden diese Anlagen mit Holzzäunen umgeben. Die Anwohner ringsherum durften an ihren Häusern auf dem ehemaligen Friedhofsgelände kleine Gärten anlegen. Das durchaus positive Ergebnis dieser Maßnahmen sieht man auf der Abbildung unten. Jedoch schon 1866, im Zuge einer Generalsanierung der Stephanskirche wurde alles wieder beseitigt, vielleicht war die Grünanlage inzwischen verwahrlost und das Äußere der Kirche von Strauchwerk umwuchert (vgl. Dietrich, ebenda, S. 14). Auf dem großen Teil des Platzes wurden Kastanien, Ahorn, Rüstern und Eschen und auf dem kleinen südlichen Teil vor der Volksschule Kugelakazien gepflanzt. Anlässlich des 400. Geburtstages Martin Luthers 1883 setzte der Verschönerungsverein von Calbe eine Eiche (vgl. Dietrich, Heimat, S. 6). Im 20. Jahrhundert wurde auch diese Baumanlage wieder beseitigt. Zaghafte Versuche von erneuten Baum-Anpflanzungen in den 1970er Jahren scheiterten weitestgehend.

 

Auf diesem Friedhof, der heute als solcher nicht mehr zu erkennen ist, liegt auch ein Teil der vielen Pesttoten und Opfer des Dreißigjährigen Krieges aus der Stadt.

 

Das epidemienartige Auftreten der Pest lässt sich seit mindestens 3000 Jahren nachweisen. Vom 6. bis zum 8. Jahrhundert nahm die Pest erstmals pandemische Ausmaße an, das heißt, sie ergriff nicht nur ein Land oder Gebiet, sondern ganze Kontinente. Die größte jemals aufgetretene Pestpandemie grassierte 1347 bis 1352 von Nordafrika bis Island in ganz Europa. Diese als "Schwarzer Tod" bezeichnete Pandemie forderte ca. 25 Millionen Todesopfer, also ein Drittel der damals in Europa lebenden Menschen. Die meist aus Asien mit dem Rattenfloh eingeschleppte Pest suchte Europa in unterschiedlich stark ausgeprägten Wellen bis zum 18. Jahrhundert heim. 1665/66 hatte sie in London noch einmal Zehntausende Opfer gefunden. Auf anderen Kontinenten, auch in den USA,  gab es noch Pestpandemien bis 1900. Im 20. Jahrhundert wurde die Pest weltweit immer mehr eingedämmt, sie ist aber bis heute nicht gänzlich ausgerottet.

In anderen mittelalterlichen Städten, in denen die Bürger im ersten Drittel des 14. Jahrhunderts begonnen hatten, neue prächtige Kirchen zu bauen, stagnierte deren Bau  erheblich mit einer Verzögerung von über einem halben Jahrhundert. Die zwei verzögerten Bauetappen kann man unter anderen an der 1489 fertig gestellten spätgotischen Hallenkirche im heutigen Bad Wildungen erkennen. Es liegt der Verdacht nahe, dass auch in Calbe die große Pestpandemie in der Mitte des 14. Jahrhunderts die Ursache für die bislang unerklärliche Unterbrechung der Bautätigkeit an der Stephani-Kirche war, obwohl es keine Quellenbelege dazu gibt.

Das ehemalige Pfarrhaus (Mitte) (s. Text oben)

Für das Auftreten der Pest im 14. und 15. Jahrhundert haben wir für Calbe keine Hinweise. Wie sich erst aus den frühneuzeitlichen Aktennotizen rekonstruieren lässt, dauerten viele der Pestwellen im 16. und 17. Jahrhundert ca. 2 - 6 Jahre. Die Intervalle zwischen den einzelnen Wellen waren erschreckend kurz, zwischen 8 und 19 Jahren (s. Abb. unten). Im Durchschnitt kam es alle 11 Jahre zum großen Sterben, bei dem jedes Mal 10 bis 25 Prozent der Einwohner Calbes dahingerafft wurden. Nach dem Schmalkaldischen Krieg (vgl. Station 12) ließ der Kaiser Magdeburg belagern, weil sich die Stadt gegen die Wiedereinführung des Katholizismus im Land wehrte. Während 1550 das Land von den Kaiserlichen ringsum verwüstet wurde, blieb Calbe verschont, weil in ihm seit 1549 die Pest wütete und die Söldner sich davor fürchteten (vgl. Reccius, S. 36). Anno 1551 seien durch eine große Pestwelle "allein in einem Sommer 130 Personen gestorben, daß man auf dem Kirch-Hofe bei der Stadt-Kirchen nicht Raum gehabt, dieselben, ohne andere wieder aufzugraben, zu beerdigen." (Hävecker, S. 96, angepasste Rechtschreibung). Deshalb hatte sich der Rat der Stadt entschlossen, in der Bernburger Vorstadt direkt neben dem Friedhof an der St.-Laurentii-Kirche einen neuen Gottesacker für die Stadt anzulegen (vgl. Station 20). 1566 hatte "sich abermal eine Contagion [Pestwelle - D. H. St.] eingeschlichen, dadurch fast die ganze Stadt leer geworden." (Hävecker, S. 97, angepasste Rechtschreibung).

1585 verbot der Rat die Neujahrsfeiern "wegen der gefährlichen Sterbensläufte". Vor allem das sonst übliche Schenken und Nehmen kleiner Gaben sei zu gefährlich (vgl. Reccius, S. 40). 1595-98 trat erneut die Pest in Calbe auf, "davon auch sehr viele Menschen nicht nur in der Stadt Calbe, sondern auch in dem nächsten Dorf Brumby gestorben." (Hävecker, ebenda, angepasste Rechtschreibung) Bei dieser Pestwelle starb 1598 auch der Schulrektor Magister Johannes Cuno, auf dessen Anregung die Schulgeldfreiheit in Calbe eingeführt worden war (vgl. Station 7)  . "Anno 1607 ließ die Pest abermal ihre Macht durch Gottes Verhängnis allhier sehen, dadurch eine große Anzahl der Menschen hingerafft wurde." Sie dauerte diesmal bis 1611 und musste so gefährlich gewirkt haben, dass die Stadtväter sogar den Handel von und nach draußen verboten und die Torwachen verstärkten (vgl. Reccius, S. 45). Die Stadt hatte sich verbarrikadiert wie im Krieg. Während der Pest-Epidemie in Calbe von 1623/24 sollen sogar drei Gespenster auf dem Lorenz-Friedhof erschienen sein. Hävecker schilderte: "Und Anno 1624 ist bei einfallender Pest merkwürdig gewesen, daß im Julio ein Gespenst zweier bekannter Männer, Mittags ongefähr, um 11 bis 12 Uhr aus den Holunderbüschen auf dem Gottesacker herfürgekommen, deren einer einen schwarzen Stock in der Hand gehabt, und einer neben dem andern unterwärts nach dem Brunnen gegangen [gemeint war wohl der Brunnen am südlichen Ende der Breite - D. H. St.], der zur linken Hand aber einen breiten Hut aufgehabt hat; die Kleidung und [der] Gang dieser Personen, so viel dieselben, so es gesehen, erkennen mögen, haben angezeiget, daß sie dem Bürgermeister Michael Hartmann und dem Stadt- und Gerichts-Schreiber Christian Eggersdorfen ähnlich gewesen. Diese Personen sind auf dem Prediger-Stuhl, so damals auf dem Gottesacker unter dem freien Himmel, bei einem Mandel-Baum gestanden, gesehen worden, auf welchem auch des Müllers Töchterlein zu erkennen gewesen." (Hävecker, ebenda, angepasste Rechtschreibung).

Alte Gebäude am Kirchplatz (s. oben)

Diese drei Erscheinungen hätten verschiedene Leute gesehen, die das auch auf ihren Eid nehmen wollten. "Anno 1638 hat sich wiederum ein Sterben in der Stadt angefangen, weshalber unterschiedene Leute nacher Köthen, damit und andere Orte und flüchteten, viele aber derer, so geblieben, in wenig Tagen gesund, bald aber krank und tot geblieben sind." (Hävecker, ebenda, angepasste Rechtschreibung). Während 1680/1681 im gesamten Herzogtum die Pest grassierte, wurde Calbe davon nicht so stark betroffen. Deshalb zogen die Kurfürstliche Regierung und das Konsistorium vorübergehend von Halle nach Calbe. Die Huldigungsfeiern von 1680 wurden auf 1681 verschoben. Seit dem August des Jahres 1681 ordnete der Calbesche Rat an, dass die Calber Toten ohne Gesang, also in aller Hast und Eile begraben werden sollten. Trotz der immer noch herrschenden Gefahr ließ sich Kurfürst Friedrich Wilhelm zusammen mit seiner Gemahlin in Magdeburg, Calbe und Halle im Mai 1681 huldigen (vgl. Reccius, S. 61 f.).  Im 18. Jahrhundert wurde die Pest in Calbe weitgehend eingedämmt, was wohl an den verbesserten hygienischen Bedingungen lag. Als 1738 die Pest in Ungarn und in Siebenbürgen grassierte, wurden an allen Stadttoren besondere Wächter aufgestellt, die die Pässe der Einreisenden kontrollierten. Auch der "Kahnmann", der die Verbindung über die Saale herstellte, erhielt strenge Anweisungen (vgl. Reccius, S. 73 f.). 1750 kam es noch einmal zu einer außergewöhnlich hohen Sterblichkeit, besonders unter Kindern, in Calbe, von der Pest war aber keine Rede mehr (vgl. Reccius, S. 76).

Großen Mut und eine tiefe Nächstenliebe bewiesen nur wenige Männer, die als Pestpfarrer (pestilentarii) tätig waren, wie der Lorenz-Vorstadt-Pfarrer Cyriakus Müller, während sich die höher gestellten Geistlichen der Stadt "für spätere bessere Zeiten schonen" mussten. Dieser beachtenswerte Mann, den die Herren Kirchenvisitatoren 1562 als "nicht besonders gelehrt" einschätzten, besaß jedoch das, was man als "Herzensbildung" bezeichnen kann. Er betreute auch in "normalen" Zeiten die Armen und Siechen der Hospitalstifte (vgl. Stationen 10 und 20).

 

Hävecker sah klugerweise einen engen Zusammenhang zwischen der teuflischen Dreieinigkeit  "Krieg, Hunger und Pest". Auch zum Dreißigjährigen Krieg, dem verheerendsten Ereignis der Neuzeit in Calbe, hat der Kirchplatz eine traurige Beziehung.

 

Im Mai 1625 ließ der Liga-Oberbefehlshaber Johann Tserclaes Graf von Tilly (1559 - 1632) in Calbe werben, obwohl der Administrator solche Werbungen untersagt hatte (vgl. Reccius, S. 48 f.). Im Herbst des gleichen Jahres fand im Calber Schloss ein großer Sonder-Landtag mit dem Dänischen Kanzler Uhlenfeld statt. Das protestantische Dänemark (1625 - 29 Dänisch-Norddeutscher Krieg) war ein wichtiger Verbündeter des Magdeburger Administrators, des brandenburgischen Markgrafen Christian Wilhelm. Mit dem Eintritt des Dänenkönigs Christian IV. in das europäische Machtpoker wurde der Krieg auch in unsere Gegend getragen. Vom Jahr 1625 an begann das lange Leid der Bevölkerung des Magdeburger Landes, des Gebietes, das seit diesem Zeitpunkt mit  am schlimmsten in diesem Kriege betroffen wurde.
Bald rückten Truppen der Liga unter General Tilly gegen Calbe, und der Landtag wurde schleunigst geschlossen (vgl. Hävecker, S. 14). Soldaten des Administrators mussten das Schloss besetzt halten. Tillys Söldner erstürmten daraufhin die Mauern und die Schlossfestung und richteten unter den Markgräflichen ein grauenhaftes Gemetzel an. Anschließend wurde die Stadt geplündert (vgl. ebenda und S. 90). Wenig später, am 12. Oktober, kam der neu ernannte Oberbefehlshaber der kaiserlichen Truppen, Albrecht Wenzel Eusebius Graf von Wallenstein (Waldstein), Herzog von Friedland (1583 - 1634 ermordet), in Eilmärschen von Eger (heute: Cheb) über Halberstadt und Aschersleben nach Calbe, um sich in der Gegend mit den Liga-Truppen Tillys zu vereinigen. Der Rat öffnete ihm die Tore, nachdem er Kanonen vor den Mauern auffahren ließ und der Stadt eine faire Behandlung zugesichert hatte. Wallenstein blieb nur ganz kurz in Calbe, er übernachtete wahrscheinlich, beweisen lässt es sich nicht, im "Goldenen Stern" (Schlossstraße 83). Seine verwundeten und kranken Soldaten ließ er in die Pesthäuser und andere Hospitäler legen und zog mit seiner Armee über Salze (Schönebeck) nach Halle und Querfurt weiter. 1626 war das Magdeburger Land, außer Magdeburg selbst, in den Händen der katholischen Partei. Tilly hatte am 27. August 1626 in der Schlacht bei Lutter am Barenberge Christian IV. vernichtend geschlagen. Der Magdeburger Administrator floh zum Dänenkönig an die Küste, seine Frau nach Berlin (vgl. ebenda). 1629 zog sich der dänische König aus Norddeutschland zurück, aber bald darauf landete ein mächtigerer „Beschützer“ der Protestanten in Pommern, König Gustav Adolf von Schweden (6. 7. 1630). Während viele protestantische Fürsten zögerten, schlossen sich der Magdeburger Administrator Christian Wilhelm und die Stadt Magdeburg sofort dem Schwedenkönig an, obwohl das Magdeburger Gebiet noch in der Hand von katholischen Truppen und die Macht des Kaisers sowie des Katholizismus damals auf ihrem Höhepunkt waren. Der Administrator hatte, da er mit einem baldigen Angriff rechnete, überall im Land Soldaten werben und in den meisten Städten Verteidigungszentren einrichten lassen, die jedoch wegen der militärischen Unfähigkeit Christian Wilhelms alle gestürmt und geplündert wurden.

Reste der Schanzen auf dem Calber Heger

Auch in die Veste Calbe, die im August von einer kleineren kaiserlichen Besatzung unter Oberstleutnant von Maschwitz geräumt worden war, hatte er eiligst am 14. September 750 Musketiere entsandt, die aber sofort von 2 Regimentern (etwa 1600 - 2000 Mann) der Kaiserlichen unter General Viermond, Herrn von Neersen, verfolgt wurden. (G. Hertel hatte im „Patriotischen Archiv II“, S. 131 sogar von 10 000 Mann erfahren, die die protestantischen Soldaten verfolgten - vgl. Hertel, Geschichte…, S. 35.) Mir persönlich erscheinen 2 Regimenter unter dem Befehl eines Generals auch zu wenig. Ein Desaster schien vorprogrammiert. Wenige Tage später erschien Viermond und ließ Calbe, das Schloss und die Schanzen auf dem Heger mit halben Kartaunen (das waren kurze, schwere 40-Pfünder-Geschütze) und Feld-Schlangen unter Dauerbeschuss nehmen. Die Verteidiger, Soldaten und Bürger, wehrten sich tapfer, die Bürger sogar mit Steinen. Dabei verloren die Angreifer 300 Mann. Nach dem Bericht eines Zeitgenossen, des Pfarrers Jacob Möser aus Staßfurt, gelang es der kaiserlichen Übermacht am 22. September, durch Brandlegung am Schlosstor eine Schwachstelle zu erzeugen, die erschöpften Verteidiger, von denen 200 fielen, zu überrumpeln und um 11 Uhr vormittags in die Stadt einzudringen. Nun begannen die grauenvollsten 21 Stunden in der Calbeschen Neuzeitgeschichte, die Überwältiger kannten kein Pardon. Es wurde geraubt, vergewaltigt und gemordet. Von Beutegier und Alkohol rasend geworden, wälzte sich die Soldateska Viermonds durch die Straßen Calbes. In der Stadt selbst wehrten sich die bürgerlichen und militärischen Verteidiger noch bis 17 Uhr gegen die starke Übermacht. Das Plündern und Schänden aber dauerte bis zum nächsten Morgen 8 Uhr „da Friede geschlagen worden“, d. h. durch ein Trommelsignal der Befehl zum Beenden des Plünderns gegeben wurde. Einige der Verteidiger, die nach dem Sieg der Übermacht nach Gottesgnaden - gerüchteweise durch einen Geheimgang unter der Saale - geflüchtet waren, wurden von kroatischen Reitern durch eine Furt verfolgt und fast alle getötet. Viele Bürger, auch die Geistlichen, hatten sich in die St.-Stephani-Kirche (vgl. Station 5) zu retten versucht. Die Plünderer rammten jedoch die schweren Eichentüren auf, öffneten gewaltsam das Gewölbe der Sakristei, raubten alle Kostbarkeiten und stöberten auch die Menschen auf, die sich auf den Türmen und in der Wrangelkapelle versteckt hielten. „In Summa, sie konnten nicht sagen, was für ein Jammer da gewesen“, schrieb Möser. Bei der Kirchenplünderung war auch das samtene Bahrtuch, mit dem die Verstorbenen jedes Mal bei Beerdigungsfeiern bedeckt wurden, geraubt worden. Eine Vorliebe hatten die Plünderer für Kleidung, besonders für Mäntel, gezeigt, so dass die Bürger in den nächsten Jahren ohne Mantel, wie es eigentlich Vorschrift war, zum Burding, der Bürgerversammlung, erscheinen mussten. Den Bürgern hatte man ihre Kleidungsstücke abgenommen, so dass sie in Lumpen gehüllt die zahlreichen Toten in Massengräbern begraben mussten. Diese Gruben hatte man eiligst, obwohl der Kirchhof schon offiziell seit 1551 geschlossen war, in der Nähe der Schule (vgl. Station 7), also auf der Nordseite der St.-Stephani-Kirche ausgehoben. An diesem schwarzen Tag in der Calber Geschichte wird es auch gewesen sein, dass ein großer Teil der Akten und Urkunden aus dem Archiv in die Saale geworfen und vernichtet wurde. Zur Mahnung und Anklage blieben noch fast ein Jahrhundert lang die großen Blutflecke an der nördlichen Mauer und das Blut eines um Gnade flehenden und in der Schlosskapelle erstochenen Bürgers vor der Kanzel sichtbar. (Zu den Ereignissen des Jahres 1630 vgl. Hävecker, S. 90 f., Reccius, S. 49, Hertel, S. 35 f.)

Johan Banér (1596 - 1641)

Auch die Rittergutsbesitzer von Haugwitz und ihre damals 8 Jahre alte Tochter Anna Margareta müssen durch diese Plünderungen völlig verarmt sein. Wie aus einer Leichenpredigt hervorgeht, starb der Vater Anna Margaretas, Balthasar von Haugwitz, schon "frühzeitig" in Brandenburg und musste dort auch wegen der Kriegsereignisse beerdigt werden (Hinweis von K. Herrfurth).

Karl Gustav Wrangel (1613 - 1676)

Zehn Jahre später heiratete der schwedische Oberst und nachmalige Generalmajor Carl Gustav Wrangel (1613 - 1676), der spätere Graf von Solms (Salmis), die schöne besitzlose Anna Margaretha aus Calbe. Es war eine durchaus glückliche Ehe (vgl. Station 5 und 8). Der 1613 in Skokloster (Schweden) geborene Wrangel diente nach kurzem Studium seit 1631 unter seinem Vater Herman Wrangel in Deutschland, seit 1636 als Oberst unter Banér, und seit 1641 als Generalmajor. Nach Banérs Tod 1641 war Wrangel auch zeitweilig Oberbefehlshaber der schwedischen Truppen. Nun ging die Karriere des befähigten Kriegsgewinnlers mit der schönen und cleveren Frau an seiner Seite noch steiler aufwärts (Über Anna Margareta, ihren Mann und ihre Nachkommen gibt es  eine eigene Website).

Während der Vorbereitungen zur Belagerung der Stadt Magdeburg im Mai 1631 wird Calbe bestimmt auch große Einquartierungs- und Requisitionslasten durch die kaiserlichen und ligistischen Truppen unter Graf Gottfried Heinrich zu Pappenheim (1594 - 1632) und Tilly zu tragen gehabt haben. Inzwischen waren einige Bürger in die vermeintlich sichere Stadt Magdeburg geflohen, jedoch auch dort ereilte sie ein grausames Schicksal, wie das des Melchior Heydenreich, der mit einem Pferd von Jacob Belau in die große Stadt geflohen war, während der Belagerung das Pferd verzehren musste und bei der Erstürmung und Zerstörung Magdeburgs ums Leben kam (vgl. Reccius, S. 49 unter 1632). Tilly, der Magdeburg am 10. Mai 1631 gestürmt und zerstört hatte, wurde aber selbst am 17. September bei Breitenfeld von Gustav Adolf vernichtend geschlagen. Dessen damals erfolgreichster Feldherr Johan Banér (1596 - 1641) belagerte nun Magdeburg. Am 31. Oktober erschien er in Calbe, und beim Kampf gegen die Kaiserlichen kam es erneut zum Blutvergießen. Den Kaiserlichen unter Pappenheim gelang es noch einmal, Magdeburg aus der Umklammerung Banérs zu befreien, die Schweden zogen sich auf Calbe zurück. Banér wollte schon damals die Calbesche Saalebrücke vernichten, was aber der schottische General Hamilton noch verhindern konnte. Bald jedoch musste Pappenheim Magdeburg wegen Versorgungsschwierigkeiten aufgeben und zog in Richtung Weser ab, Banér folgte ihm mit seinem Heer. Die Schweden siegten in weiten Teilen Deutschlands und stellten auch in Calbe die "Ruhe und Ordnung" der Sieger her. König Gustav Adolf setzte im Magdeburger Land eine Regierung unter Fürst Ludwig von Anhalt-Köthen als Statthalter ein. Banér bekam 1632 für seine militärischen Verdienste die Ämter Egeln, Athensleben und Hadmersleben, der Kanzler Stalmann bekam Gottesgnaden (vgl. Station 12). Damit hörten aber die Belastungen für Calbe durch Einquartierungen und Lieferungen nicht auf. 1632 war Calbe Sammelplatz des Hauptmanns Adolf Wilhelm von Krosigk für eine Kompanie, die er dem Regiment Dietrichs von dem Werder zuführen musste. Dafür hatte Calbe die Unterbringung und Löhnung aufzubringen. Der Krieg musste eben den Krieg nicht nur bei dem inzwischen vom Kaiser ab- und wieder eingesetzten Generaloberst-Feldhauptmann Wallenstein ernähren, sondern auch bei seinen Gegnern. Am 29. Februar berechnete der Rat (- die Protokolle begannen wieder am 27. Februar -) für die von ihm gezahlten Kriegskosten 14 237 Taler und 7 Groschen, eine unvorstellbar hohe Summe, nach heutigem Geldwert eine zweistellige Millionensumme; außer den zerstörten Gebäuden und Auslösungen, den 50 Talern, die ein schwedisch-schottischer Quartiermeister requiriert hatte, außer den 6000 Pfund Brot und vielen Säcken Getreide als Armeeproviant und außer den aus dem Rathaus geraubten Kostbarkeiten, was alles zusammen auch noch einige tausend Taler ausmachte. Am 1. März trug der Rat dem Statthalter Fürst Ludwig vor, Calbe könne unmöglich länger Sammelplatz schwedischer Truppen sein, die Bürger flüchteten deswegen aus der Stadt. Zwar wurden nun die Löhnungskosten etwas herabgesetzt, aber bald kamen auch noch die Dragoner des Obersten Ludwig Kange und ein Teil der 7000 Mann des Herzogs Georg von Lüneburg, "ein böse schädlich Volk", das "die Leute heftig geplaget und gepeiniget", hinzu (vgl. Hertel, S. 38 f.). Nun setzte eine große Fluktuation ein, weil viele Bürger die hohen Kontributionen nicht mehr aufbringen konnten. Inzwischen konnten die Bäcker nicht mehr backen, weil ihnen das Mehl fehlte. "Gott sei es geklaget, dass uns gar nicht wieder geholfen werden kann." (Reccius, S. 49).

Bewohnte Häuser in der Bernburger Vorstadt

Wegen des Marodeur-Unwesens mussten die geplagten Bürger zusätzliche Wachen für die Tortürme stellen. Als die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg dem Frieden von Prag 1635 beitraten, waren die Schweden plötzlich zu Feinden geworden. Banér schlug im Juli ein Lager zwischen Staßfurt und Calbe mit 15 000 Mann auf, was die Städte, besonders aber auch die noch vorhandenen Dörfer, wiederum enorm belastete. Im Herbst wurden die Schweden von den sächsischen Truppen gezwungen, die Stifte Magdeburg und Halberstadt zu räumen und sich nach Brandenburg zurückzuziehen. Nun erhielt Calbe eine kursächsische Besatzung. 1636 vertrieb aber Banér wieder die Sachsen und rächte sich bitter an den leidgeprüften Städten. Zuerst wurden von ihm Stadt und Schloss Barby gestürmt und geplündert. Dann zog Banér in Eilmärschen nach Calbe, Könnern, Löbejün und Eisleben, die alle kursächsische Besatzungen hatten. Diese Städte wurden gestürmt und geplündert und mussten blutig dafür büßen, dass die Kursachsen ihm "seine" Lieblingsstadt Egeln (s. oben) weggenommen hatten. Calbe blutete am 18. Januar 1637, bei einer fast ebenso verheerenden Plünderungsorgie wie seinerzeit am 22. September 1630. Kaufleute, die von der Leipziger Messe kamen, raubte Banér unterwegs aus. Diese unmenschlichen Jähzornshandlungen sind wohl schon zum Teil auf psychische Deformierung des sonst intelligenten Mannes durch Alkoholmissbrauch, bestimmt aber auf seinen verletzten Stolz zurückzuführen. Im Gegensatz zu manchem anderen Truppenführer besaß er außer den von Gustav Adolf 1632 geschenkten Ämtern, wovon Egeln das wertvollste war, nichts, kein Land und kein Gut. So kann man auch Banérs Verzweiflung über den Verlust Egelns sehen. Nach der Erstürmung und Plünderung musste nun Calbe wieder unter schwedischer Besatzung leben. Der Kurfürst von Sachsen, der Banér verfolgte, versuchte im Januar 1636 sechsmal vergeblich, Calbe zu stürmen. Im Februar eilte Banér zu seiner sterbenden Frau Catharina Pfuell nach Magdeburg. In der Zwischenzeit hatte der besonnene und fähige Lennart Torstenson (1603 – 1651) zusammen mit Wrangel die Führung der schwedischen Truppen übernommen. Nach dem Tod seiner Frau kehrte Banér ins Lager zwischen Halle und Merseburg zurück. Nachdem er vergeblich versucht hatte, Sachsen zu einer Entscheidungsschlacht zu zwingen, zog er wieder in Richtung Magdeburg, ließ am 14. März die Schanzen bei Barby schleifen, um die Palisaden zur Verstärkung der Calbeschen Befestigung zu benutzen. Danach ging er mit mehreren Regimentern über die Saalebrücke und schlug 12 Regimenter der Sachsen am Petersberg bei Halle. Die Calber Saalebrücke hatte er mit 1000 Mann sichern und mit Kanonen bestücken lassen, so wichtig war ihm dieser Übergang für seinen Rückzug nach Magdeburg, wo er ein großes Getreidevorratslager angelegt hatte. Bevor die Schweden sich (fast für immer) aus unserer Gegend „verabschiedeten“, ließ Banér durch seinen Oberst Golz die Brücke und das Kloster, nach Plünderung des letzten noch vorhandenen Brauchbaren, niederbrennen (vgl. Station 12). Im Juli 1636 verließ Banér die Stadt Magdeburg, um in Wittstock an der Dosse die Kaiserlichen und die Kursachsen in einer bedeutsamen Schlacht zu schlagen. Damit begründete er eine längere Herrschaft der Schweden in Norddeutschland. In unserer Gegend aber rückten die Kursachsen und ihre Verbündeten, die Kaiserlichen. Letztere wurden befehligt von  Matthias Graf von Gallas (1584 oder 1588 - 1647), einem zu jener Zeit  von der Trunksucht gezeichneten, strategisch unfähigen Trientiner, dem man den tödlichen Verrat an Wallenstein nachsagte. Mit diesen neuen Herren begann hier wieder eine schlimme Zeit. Besonders hatten es die Kaiserlichen auf anhalt-zerbstische Dörfer und Städte abgesehen, wo sie die schlimmsten Grausamkeiten verübten. Das Vorwerk Rajoch wurde z. B. total verwüstet. Calbe blieb aber weitestgehend von den Besuchen der Gallas-Horden verschont, weil - welch Ironie - die Brücke fehlte. Kaum war Gallas verschwunden, rückten die Kaiserlichen 1637, diesmal unter Giovan Lodovico Freiherrn von Isolani (1580 oder 86 - 1640), erneut vor Calbe, wo sie ebenfalls übel hausten. Isolani war General einer Hilfstruppe, der kroatischen leichten Kavallerie. Das war eine Horde privilegierter Mörder, Räuber und Brandstifter, die die Aufgabe hatten, den Gegner, wo es nur ging zu stören, Beute zu machen  und die Bevölkerung zu terrorisieren. Vor Calbe droschen sie das Getreide gleich auf dem Feld aus. Eine Abteilung dieser gefährlichen Kroaten hatte es geschafft, in Calbe einzudringen. Plötzlich sprengten sie auf den Marktplatz, wo sich einige Bürger, auch der Bürgermeister, eiligst hinter einer steinernen Barrikade, der so genannten Brustwehr, verschanzten. Die wilden Attacken der Reiter konnten durch einige gezielte Schüsse der geübten Bürger-Schützen (vgl. Station 15) abgewehrt werden. Die kroatischen Reiter machten sich aus dem Staub.

Bewohnte Häuser der Schlossvorstadt

Plündernde bayrische Truppen, die unter anderem die Salpeterhütte (vgl. Station 13) zerstörten, lagen 1640 in der Stadt. 1641, kurz vor Banérs Tod, erschien das Heer der Schweden noch einmal an der Stelle, an der die Brücke 5 Jahre zuvor zerstört worden war. Banér ließ unter großem Aufwand und erzwungener Mithilfe der Bevölkerung eine Ponton-Brücke aus Fässern bauen, um nach Magdeburg überzusetzen. Kaum war die Armee auf dem linken Ufer, ließ er das Meisterwerk zerstören, weil die Kaiserlichen folgten. Bei dieser Gelegenheit könnten Banérs Stellvertreter, Oberst Wrangel, und seine frisch vermählte schöne Ehefrau Anna Margareta (vgl. Station 5 und 8 sowie http://de.geocities.com/steinmetz41) die Südkapelle an der St.-Stephani-Kirche besucht und eine Schenkung vorgenommen haben, durch welche die Kapelle bis heute als Wrangel-Kapelle in Erinnerung blieb. 1643 zogen wie auch vorher schon marodierende Söldner durch die Calbesche Feldmark, die es besonders auf Pferde abgesehen hatten. Bauern und Bürger, die sich weigerten, ihre existentiell wichtigen Tiere herzugeben, wurden von den Marodeuren einfach niedergeschossen. So war es auch dem Amts-Kornschreiber Christian Freudemann widerfahren, der das Pech hatte, am 23. August 1643 mit 5 oder 6 Pferden des Amtes und der Bürgerschaft unterwegs gewesen zu sein, als ihn (eventuell schwedische) Reiter überfielen, die Pferde raubten und ihn dann erschossen (vgl. Hävecker, S. 91). Beschwerden bei Vorgesetzten blieben ohne Gehör. 1644 lagen sich wieder die Kaiserlichen unter Graf Gallas und die Schweden unter Torstenson drei Monate lang vor Bernburg gegenüber, und das ging stark auf Kosten der Dörfer bzw. der Calber Südvorstadt. In diesem „Stellungskrieg“ wurden die Häuser der Bauern samt Einrichtung einfach abgerissen und in den Söldner-Lagern wieder aufgebaut. Einiges wurde auch als Feuerholz benutzt. Die Bauern jedoch, deren Haus, Hab und Gut abtransportiert worden war, mussten sehen, wie sie im Freien überlebten. Einige Dörfer wurden ganz vernichtet, wie z. B. Zuchau. Von den 72 Bauern vor dem Kriege war danach keiner mehr vorhanden. Zuchau war „bis auf den Grund verderbet worden, da von keinem Gebäude so viel überblieben, daß man eine Suppe dabei bereiten mögen. (Hävecker, S. 31, angepasste Rechtschreibung). Als jedoch ein schwedischer Söldner einen Balken aus der Tür der Kirche in Gramsdorf (6 km östlich von Nienburg) entwenden wollte, ließ ein General, vielleicht war es Wrangel, ihn zur Abschreckung an demselben aufhängen (vgl. Hävecker, S. 31). Wrangel war bei der Bande von Räubern und Mördern, die seine Soldaten waren, geradezu verhasst, weil er von ihnen Höchstleistungen durch eiserne militärische Disziplin verlangte. Jede Undiszipliniertheit wurde von ihm gnadenlos mit Hängen und Erschießen bestraft (- davon ausgeschlossen war aber das selbstverständliche Plündern nach erfolgreicher Erstürmung -) (vgl. http://de.geocities.com/steinmetz41). Da waren die kaiserlichen Vorgesetzten nicht so zimperlich. Die Laurentiuskirche in der Bernburger Vorstadt jedenfalls wurde von Gallas-Plünderern kräftig ruiniert (vgl. Station 20). Sogar in der Stadt Calbe selbst hatten sich beide Armeen 1644 drei Monate lang eingenistet. Auf dem Heger mussten die Calbenser Schanzen errichten, noch heute "Schwedenschanzen" genannt, wobei die Bürger Fuhren leisteten, die Hörigen und Leibeigenen (vgl. Feudale Abhängigkeit) aber, die keine Pferde besaßen, selbst zu Hacke und Schaufel greifen mussten. Am Ende seiner materiellen Reserven, gelang es Gallas, sich mit seinem Heer bei Nacht und Nebel über Staßfurt nach Magdeburg davonzuschleichen, ohne dass die Schweden es merkten. Eine reife Leistung. Als sich die Kriegswalze allmählich in Richtung Süden nach Hessen und Bayern schob, konnten die Calbenser wieder aufatmen. Im Wesentlichen war für sie der Krieg nach1645 vorbei. Die Bauern der umliegenden Dörfer und die Bewohner der Vorstädte aber holten sich aus den verlassenen Lagern ihre zum Teil unversehrten Habseligkeiten und ihr Hausbaumaterial zurück. Während des gesamten Krieges hatten die Dörfer und Vorstädte am meisten zu leiden gehabt, weil sie schutzlos in der Landschaft lagen. Die Schlossvorstadt (vgl. Station 13) befand sich genau an der strategisch wichtigen Saalebrücke, über die sich alle Kriegsvölker herüberwälzten und dabei zuerst auf die arme Bevölkerung der Ketzerei und Gröperei trafen. Zogen die Söldner von Süden über Bernburg und Nienburg heran, trafen sie auf die Bernburger Vorstadt. Am schlimmsten aber erging es den Bauern in den Dörfern, die von der Soldateska oft schlechter als Vieh behandelt wurden (vgl. das Schicksal von Zuchau oben). Die zum Amt Calbe gehörenden Dörfer waren so verwüstet, dass es kaum noch Zugtiere und Menschen für die Frondienste gab und dass weite Ackerflächen wüst lagen. Über das Schicksal des zum Amt gehörenden Dorfes Brumby schrieb Hävecker z. B.: "Dieses Dorf ist... Anno 1631 großen Teils abgebrannt und hat in dem letzten dreißigjährigen Kriege ganz wüste gelegen, und sind die Bauern und Einwohner verjagt und teils zu Tode gemachet worden." (Hävecker, S. 28, angepasste Rechtschreibung). Nur 14 Hufen, das war etwa ein Zehntel des ursprünglichen Ackerlandes der Stadt Calbe,  wurden am Ende des Krieges noch bestellt. Die Einwohnerzahl war auf etwa die Hälfte reduziert. Die Friedensverhandlungen in Westfalen und die Friedensschlüsse von Münster und Osnabrück 1648 wurden von den verbliebenen Calber Einwohnern nur apathisch zur Kenntnis genommen (zu den Ereignissen des Dreißigj. Krieges vgl. Hävecker, S. 90 ff., Reccius, S. 49ff., Hertel, S. 35 ff.)
Laut einer Stadtrechnung von 1648 war ein Druck, womöglich eine Art Flugblatt, über den "Friedensschluss" gekauft worden. Nach Abzug der letzten Schweden wurde in allen Kirchen des Erzstifts Magdeburg ein Friedensdankfest gefeiert und "dabei gedacht, in was vor unaußsprechlichen Unglück wir so lange gestecket und was Friede und Ruhe vor eine unermeßliche Wohlthat sey." (Hinweis und Zitat von K. Herrfurth). Nach den Bestimmungen des Westfälischen Friedens blieb das Magdeburger Land bei Administrator Herzog August von Sachsen-Weißenfels (1614 - 1680) bis zu dessen Tod. August, der zweite Sohn des sächsischen Kurfürsten Johann Georg I., war 1635 Nachfolger des verstorbenen Magdeburger Administrators, des brandenburgischen Markgrafen Christian Wilhelm, geworden und residierte seit 1642 in Halle. Der aufgeklärte, kunstliebende und -fördernde Fürst war Mitglied der "Fruchtbringenden Gesellschaft" und verzichtete 1647 auf seine Erzbischofs-Würde. Nach seinem Tod sollte das Magdeburger Land ein brandenburgisches Herzogtum werden. Das geschah 1680 unter Kurfürst Friedrich Wilhelm, dem „Großen“, dessen Generalen es auch gelang, die Schweden zu vertreiben. Damit begann die 265 Jahre (vielleicht in den Köpfen auch länger) dauernde Preußen-Ära für Calbe.

 

Der Dreißigjährige Krieg hatte Calbe wie viele andere Städte des Reiches stark in der ökonomischen und sozialen Entwicklung zurückgeworfen. Zwar ging es unter preußischer Herrschaft rasch wieder aufwärts (vgl. Diagramme über den Häuserbestand in den Vorstädten), aber im Unterschied zu einigen anderen Städten erholte sich Calbe von diesem Schlag nie wieder richtig und blieb in der Folge auf der Stufe einer Kleinstadt stehen.

 

Im 18.Jahrhundert wurde der städtische Friedhof für den öffentlichen Verkehr freigegeben, es wurden Bäume gepflanzt und am Rand kleine Gärten angelegt. Eine Zeit lang wurde hier der Topfmarkt abgehalten (vgl. ganz oben). So war aus dem St.-Stephani-Kirchhof der Calber Kirchplatz geworden.